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teilerlasse

2.2 Teilerlasse

Als sogenannte 'Soziale Vergünstigungen' stell(t)en sie keinen sozialen Ausgleich dar. Stattdessen wurde ein neuer, dem Zweck des BAföG nicht entsprechender Rechtsgedanke eingeführt. Zweck des BAföG ist es, Mittel für den Lebensunterhalt und die Ausbildung zur Verfügung zu stellen. Die Teilerlass-Regelungen machten diese Mittel teilweise zu solchen eines Begabtenförderungsgesetzes. Sie räumten dem Leistungsprinzip wesentlich größere Bedeutung ein als dem Gedanken sozialer Gerechtigkeit und der Chancengleichheit für alle.

Diese Kritik gilt nicht für den Teilerlass wegen politischer Verfolgung (bedeutsam bis Ende 2002) oder für den Teilerlass wegen Kinderbetreuung (möglich bis Ende 2009) sowie den früheren Teilerlass bei behinderungsbedingtem Überschreiten der Förderungshöchstdauer. Diese Regelungen waren tendenziell soziale Vergünstigungen.

Zum Nachlass wegen vorzeitiger Ablösung der Darlehensschuld, im weiteren Sinne ebenfalls ein Teilerlass, finden sich unsere Gedanken im Abschnitt 2.5 (Vorzeitige Rückzahlung).

Mit dem 23. BAföG-Änderungsgesetz (BAföGÄndG) von 2010 wurden die beiden letzten Teilerlasse nach dem § 18b BAföG zum 31.12.2012 abgeschafft.

Aus historischen Gründen seien sie hier dokumentiert:

Teilerlass für die Jahrgangsbesten (bis 31.12.2012)

Dieser Teilerlass war am meisten umstritten. Die Festlegung auf 30 % der Jahrgangsbesten, die den Teilerlass in Höhe von 15 %, 20 % oder 25 % (je nach Studiendauer) in Anspruch nehmen konnten, war willkürlich. Sie berücksichtigte weder die Gegebenheiten des Studienalltags an den Hochschulen (überfüllte Vorlesungen/Seminare, fehlende Lehrmittel, Veranstaltungsausfälle etc.), noch persönliche Belange der Studierenden (Krankheit, familiäre Schwierigkeiten etwa durch Todesfälle, Betreuung von Kindern und/oder Pflegebedürftigen etc.). Es wurde auch nicht berücksichtigt, dass viele neben dem Studium trotz BAföG-Bezuges erwerbstätig sein mussten.

Bedenklich daran war, dass diese Teilerlass-Regelung nur eine kleine Zahl der BAföG-EmpfängerInnen tatsächlich begünstigte, jedoch die Mehrzahl, nämlich 70 % aller BAföG-EmpfängerInnen die ihr Studium absolviert hatten, sowie alle StudienabbrecherInnen von vornherein von der Teilhabe ausgrenzte und dadurch sozial benachteiligte.

Diese Teilerlass-Regelung setzte zudem eine Vergleichbarkeit der Studienabschlüsse voraus: In der Praxis war dies nur unzulänglich möglich (unterschiedliche Prüfungsordnungen, unterschiedlich lange Studienzeiten, fragwürdige Benotungen während des Studiums etc.). Außerdem wurden zur Ermittlung der Jahrgangsbesten Vergleichsgruppen gebildet, die häufig unvergleichbare Fächerkombinationen zusammenfassten (z.B. Magisterstudiengänge: gleiches Hauptfach, aber verschiedene Nebenfächer). Fraglich war, ob überhaupt inhaltlich unterschiedliche Einzelprüfungen miteinander verglichen werden konnten.

Wir verwiesen damals darauf, dass vorsichtshalber auch dieser Teilerlass beantragt werden sollte. Denn häufig war nicht klar, wie die Jahrgangsbesten für den Teilerlass wegen überdurchschnittlicher Leistungen ermittelt werden. Erst im Rechtsbehelfsverfahren (das heißt mit einem Widerspruch) gegen den Bescheid, der über den Teilerlass entschied, konnte überprüft werden, ob die zuständige Prüfungsbehörde bei der Bildung der Rangfolge rechtmäßig und fehlerfrei gemäß der Teilerlassverordnung (BAföG-TeilerlassV) gehandelt hatte.

Nach über 20 Jahren begründete die Bundesregierung die Abschaffung dieses Teilerlasses im Entwurf zum 23. BAföGÄndG: „Der erhebliche Vollzugsaufwand, insb. bei den zur Ermittlung der maßgeblichen Ecknoten und Vergleichskohorten berufenen Prüfungsämter, und die unausgewogene Verteilung der Erlass-Chancen wegen der je nach Studiengang unterschiedlichen Beschleunigungspotenziale sind im BAföG nicht länger zu rechtfertigen.“

Teilerlass wegen vorzeitiger Beendigung des Studiums (bis 31.12.2012)

Hattest du dein Studium vier Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer abgeschlossen, wurden dir auf Antrag 2.560 EUR (vor 2002: 5.000 DM) des Darlehens erlassen. Sofern du deinen Abschluss zwei Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer gemacht hattest, erhieltst du einen Teilerlass von 1.025 EUR (vor 2002: 2.000 DM). Das Studium galt als beendet, wenn du deinen letzten Prüfungsteil abgelegt hattest.

Teilerlass wegen Kinderbetreuung (bis 31.12.2009)

Studentische Eltern werden seit 2008 während des Studiums mit einem Zuschlag von 113 EUR pro Monat für die Betreuung eines Kindes unter zehn Jahren gefördert.

Im Prinzip begrüßen wir diese Änderung ausdrücklich. Nicht zuletzt in unserem „Voll Darlehen!“ (Nr. 12) vom Januar 2004 hatten wir erneut auf die Benachteiligung von GeringverdienerInnen mit Kindern hingewiesen. Dieser Teilerlass war von uns immer wegen der Beschränkung der möglichen Arbeitszeit auf nur zehn Wochenstunden kritisiert worden. Nun, nach der BAföG-Änderung, wird die Betreuung von Kindern direkt unterstützt.

Aber, und wichtig für Rückzahlungsbetroffene: durch die Änderung des § 18b entfiel seit 01.01.2010 der Teilerlass wegen Kinderbetreuung in seiner bisherigen Form!

Der Teilerlass wurde auf Antrag gewährt bis zum 31.12.2009. Das heißt, nach diesem Zeitpunkt besteht - unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt der Antrag gestellt worden ist - kein Teilerlassanspruch nach dem bisherigen § 18b Abs. 5 BAföG mehr.

Informativ an dieser Stelle die Neufassung des Paragrafen:

§ 18b BAföG

[…]

(5) Bis zum 31. Dezember 2009 wird für jeden Monat, in dem

1. das Einkommen des Darlehensnehmers den Betrag nach § 18a Abs. 1 nicht übersteigt,
2. er ein Kind bis zu 10 Jahren pflegt und erzieht oder ein behindertes Kind betreut und
3. er nicht oder nur unwesentlich erwerbstätig ist,

auf Antrag das Darlehen in Höhe der nach § 18 Abs. 3 festgesetzten Rückzahlungsrate erlassen. Rückwirkend erfolgt der Erlass für längstens vier Monate vor dem Antragsmonat. Unwesentlich ist eine Erwerbstätigkeit, wenn die wöchentliche Arbeitszeit nicht mehr als zehn Stunden beträgt. Das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 ist glaubhaft zu machen. Als Kinder des Darlehensnehmers gelten außer seinen eigenen Kindern die in § 25 Abs. 5 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Personen.

Stand dieser (einzelnen) Seite: 16.12.2012

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